Er ist gelb, grün und grau. Er ist intensiv und unverkennbar im Geschmack. Seine bröselige Gestalt macht auf jedem Butterbrot eine gute Figur. Die Rede ist vom Ennstaler Steirerkas, der als kulinarisches Traditionsgut der Region weit über die Grenzen hinaus bekannt und beliebt ist. Zwei Käsekenner erzählen über die Entstehungsgeschichte, das Almleben und die Wertschätzung regionaler Erzeugnisse.
Saftig grüne Bergwiesen. Das sanfte Bimmeln von Kuhglocken. Eine hübsche Sennerin in Tracht, die frische Buttermilch und Käsebrote vor die urige Holzhütte serviert. Genauso idyllisch stellt man sich das Almleben in den Bergen vor. Dabei ist es nicht selten mit einigen Entbehrungen und viel Arbeit verbunden. Zumindest war dies vor etlichen hunderten Jahren der Fall, als die Almwirtschaft im Ennstal entstand. Man muss sich vorstellen, dass die Sennerinnen und Senner nicht auf „Sommerfrische“ in den Bergen unterwegs waren. Vielmehr entwickelte sich die landwirtschaftliche Nutzung von höher gelegenen Grasregionen – Almen genannt – aus einer Not heraus. „Die Erträge aus der Landwirtschaft in den Tälern wurden am Hof eingelagert und in den Wintermonaten gebraucht. Die Almnutzung stellte im Sommer also eine Entlastung dar“, erklärt Viktoria Brandner aus Kleinsölk. Sie kennt das Sennerinnen-Dasein nur zu gut, da sie den Sommer über auf der Köckhütte in der Tuchmoaralm in Kleinsölk verbringt. Zum ursprünglichen Almleben gehört für sie auch die Verarbeitung der gewonnen Milch. So arbeitet Viktoria wie die Sennerinnen vor vielen Jahren mit einem Kupferkessel über einer offenen Feuerstelle, um aus der Magermilch einen köstlichen Käse zu produzieren. Außerdem stellt sie Sauerrahmbutter für die hungrigen Wandergäste her. „Die Produkte sind natürlich äußerst hochwertig, da die Weidekühe ausschließlich frisches Gras und unterschiedlichste Kräuter verzehren“, meint Viktoria, währenddessen sie die frische Almbutter in hölzerne Buttermodeln presst, um ihm die charakteristische Form inklusive Blumenmuster zu verpassen.
Sennerinnen-Dasein & Alm-Virus
Zu Sommerbeginn verarbeitet die Bäuerin rund 120 Liter Milch pro Tag. Neigt sich der Almsommer dem Ende hin zu, so beläuft sich die verarbeitete Menge Milch nur mehr auf 40 bis 50 Liter pro Tag. Viktoria: „Einen modernen Umbau zu machen, würde sich nicht auszahlen. Einerseits haben wir die Milchmengen nicht, andererseits fehlt der Zulauf an Besuchern. Aus diesem Grund gibt es bei mir auf der Köckhütte auch nur Butter und den typischen Steirerkas“. Die Familienmutter genießt das entschleunigte Almleben trotz der vielen Arbeit sehr. Durch den Wegfall von medialen Einflüssen und dem Trubel des Alltags bleibt mehr Zeit für die wesentlichen Dinge übrig. „Ab Mitte Juni sind wir auf der Alm. Almabtrieb findet am sogenannten „Schutzengelkirchtag“, der in der Kleinsölk seit über 200 Jahren am ersten Sonntag im September gefeiert wird, statt. Wer einmal mit dem Alm-Virus infiziert ist und einen Sommer lang als Sennerin oder Senner tätig war, der weiß wie sentimental dieser Abschied von der Alm werden kann“, ergänzt die leidenschaftliche Sängerin abschließend.
Wertschätzung & Geschichte
Das ursprüngliche Almleben kennt auch die Familie Ilsinger gut. Sie bewirtschaftet die Schrabachalm in Donnersbach und ist der traditionellen Herstellung vom Original Ennstaler Steirerkas treu geblieben. Hauptsächlich ist Familienoberhaupt Hans für die Käseproduktion zuständig, wobei Sohn Hannes mit seiner Frau Christina den Familienbetrieb seit 2020 übernommen haben. Wenn man Hans in seinem Käsereiraum über die Schulter schauen darf, wird schnell klar, dass hier besonders viel Leidenschaft und Wertschätzung gegenüber der produzierten Lebensmittel dahintersteckt. „Der Ennstaler Steirerkas spielte eine wichtige Rolle in der Region zwischen Eisenerz und Schladming. Vor hunderten Jahren war die Milchkühlung nicht möglich und so musste man für die Konservierung eine Lösung finden“, erzählt der Geschichtskundige. Nachdem Fett in der Bevölkerung überlebensnotwendig war, um die harte körperliche Arbeit zu stemmen, war Butter ein wichtiges Lebensmittel. So trennte man den Rahm von der Milch für die Butter und aus dem Nebenprodukt – der Magermilch – durfte der Steirerkas entstehen. „Dieser magere Käse konnte problemlos über Monate gelagert werden und diente ganz häufig als wichtige Reserve bei Lebensmittelknappheit. Außerdem war der Steirerkas besonders nahrhaft für die Knappen im Bergbau, der in unserer Region damals stark verbreitet war“, erzählt Hans ausführlich über die Geschichte des heimischen Milchprodukts, welches zudem leicht verdaulich und gut für die Darmgesundheit ist. Er ist stolz darauf, das Originalherstellungsverfahren beibehalten zu haben und den Käse im Grunde wie vor 300 Jahren – nur mit einigen technischen Weiterentwicklungen – herzustellen.
Gut Ding braucht Weile
Nach dem Melkvorgang wird die Milch in einer Zentrifuge in Rahm und Magermilch getrennt. Der Rahm wird auch auf der Schrabachalm in Butter verwandelt. Die Magermilch darf hingegen in einem natürlichen Prozess sauer werden, um anschließend in einem Kessel gekocht zu werden. Hans: „Der gekochte Magertopfen hat nun bereits die bröselige Konsistenz, welche dem Steirerkas am Ende sein typisches Erscheinungsbild verleiht. Er wird mit Salz und Pfeffer gewürzt und somit konserviert, in Formen gepresst, auf Holzbretter gestürzt und darf in diesem Zustand bei Raumtemperatur reifen“. Beim Blick in den Reiferaum läuft einem bereits das Wasser im Munde zusammen: Käsekugeln in unterschiedlichsten Reifegraden warten darauf erneut zerbröselt zu werden und am Butterbrot zu landen. „Der Ennstaler Steirerkas reift mindestens sechs Wochen. Dann bringe ich ihn in die Almküche zu meiner fleißigen Frau Birgit und sie serviert ihn Wandergästen aus aller Welt, die den einzigartigen Geschmack zu schätzen wissen“, ergänzt der Käsekenner. In den Sommermonaten haben die insgesamt zwei Besitzer der Gemeinschaftsalm rund 50 Rinder, 20 Schafe und 20 Ziegen auf der Alm. 18 Milchkühe werden täglich gemolken, um herrliche Produkte herzustellen. „Was viele nicht wissen: Zur Herstellung von 1 kg Hartkäse benötigt man rund 10 Liter Vollmilch, für 1 kg Butter braucht man rund 22 Liter Vollmilch. Umso mehr freuen wir uns, wenn Gäste die entsprechende Wertschätzung gegenüber unserer Produkte und unserer Arbeit auf der Alm zeigen“, fügt Hans abschließend hinzu und freut sich jetzt schon auf den bevorstehenden Almsommer und das erste Brot mit frischem, bröseligen, gelb-grüngrauen Ennstaler Steirerkas!